„Ich weiß nicht, was ich noch tun könnte. Mein Fünfjähriger führt sich oft auf, als sei er der Chef. Besonders, wenn er mit anderen Kindern spielt, ist er der Bestimmende und kommandiert die anderen rum“, klagte Bettina ihrer Freundin.
„Was tust du, wenn du das mitbekommst?“
„Ich nehme ihn beiseite und sage ihm, dass man das so nicht macht. Schließlich möchte ich nicht, dass er von seinen Freunden irgendwann ausgegrenzt wird.“
„Wer ist in diesem Fall man?"
„Nun – also die Menschen sollen das so nicht machen. Es ist nicht sozial in meinen Augen.“
„Du kannst nicht für die Menschen sprechen. Jeder ist anders. Wie ist es mit dir? Würdest du so etwas machen?“
„Nein, auf keinen Fall.“
„Könnte es sein, dass es dir genau deshalb so viel ausmacht? Er scheint in dir etwas auszulösen.“
„Nun, ich bin in meinem Leben oft mit solchen Menschen in Kontakt gekommen und das tat mir nie gut. Meistens waren es meine Chefs, aber auch schon Männer hatten diese Symptome.“
„Weißt du, ob du jemanden in der Familie hast, der auch so war oder ist?“
„Ja. Papa war auch so ein Erfolgstier. Er hatte die Fäden immer in der Hand. Auch lange Zeit meine.“
„Wie ist das heute?“
„Manchmal habe ich das Gefühl, ich hab sie selbst in der Hand, aber dann befinde ich mich immer wieder in Situationen, die ähnlich sind. In denen ich mich fremdbestimmt fühle. Doch ich merke das in dieser Situation nicht einmal. Erst hinterher.“
„Dir ist diese Thematik also bewusst?“
„Ja. Nur habe ich das mit meinem Sohn bislang nicht in Verbindung gebracht.“
„Wenn du auf solche Menschen wie deine Chefs, die Männer oder auch deinem Papa schaust: Welche positiven Charaktereigenschaften entdeckst du? Vielleicht welche, die du auch gerne hättest?“
„Sie können sich durchsetzen. Sie haben einen eigenen starken Willen. Sie stehen hinter sich selbst.“
„Ist das nicht wundervoll, dass dein Sohn diese Qualitäten schon so früh an den Tag legt?“
„So hab ich das noch nie gesehen.“
„Ja Bettina, konntest du auch nicht, weil deine eigene Geschichte darüber lag, du hast durch ihn deine eigene Schwäche gesehen und wolltest ihn schützen.“
„Ist ja interessant. Und du meinst, ich soll ihn einfach mal machen lassen?“
„Was glaubst du, würde denn dann passieren? Wurde er wirklich schon von seinen Freunden ausgegrenzt oder ist das nur eine Vorstellung in deinem Kopf, wie es sein könnte?“
„Klar, bisher waren es nur Filme, die ich mir kreiert habe. Es konnte ja auch gar nicht erst zur Ausgrenzung kommen, da ich ihn ausgebremst habe“, lächelte Bettina.
„Weißt du, ich habe eine Erfahrung in meinem Leben machen können: Dort, wo wir die größten Schwächen sehen, sind oft die wahren Stärken versteckt. Da wir die vermeintlichen Schwächen aber ablehnen, können wir die Stärken darin nicht erkennen.“
„Danke dir – jetzt kann ich auf meinen Sohn schon anders schauen. Auf seine Fähigkeiten. Und mein Thema lass ich schön bei mir. Das bekomme ich auch noch gelöst, obwohl ich manchmal das Gefühl habe, dass es eine Never-Ending-Story ist.“
„Hab Geduld mit dir. Dir ist es ja schon bewusst. Der Rest wird kommen. Vertraue darauf und gehe einfach weiter. Schön ist, dass du deinen Sohn nun anders sehen kannst. Das wird nicht nur ihm guttun, sondern auch deine verletzte Seele heilen. Eine stärkende Mutter hinter ihrem Kind ist mit nichts zu ersetzen. Starke Eltern erziehen starke Kinder.“
Dieser Dialog beruht auf einer wahren Begebenheit. Er ist abgedruckt in meinem Buch "Echt sein ist in", welches mit persönlicher Widmung hier in meinem Shop erhältlich ist.
Es gibt tatsächlich etwas, wofür ich brenne: Kinder stärken - sowohl die heranwachsenden Kleinen als auch die Gotteskinder in uns Erwachsenen. Was dir vielleicht auch aufgefallen ist: Bettina
wurde ausschließlich mit Fragen durch den Prozess geführt - so konnte sie IHRE Antworten finden. Falls du also jemanden helfen willst, stelle Fragen. Denn deine Antworten sind nicht immer die des
anderen.
Mögen wir immer wieder die Offenheit haben, unsere Perspektive zu verändern, damit ein "anderes Sehen" möglich ist.
Herzensgrüße
Kerstin
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Manuela (Donnerstag, 04 Juni 2020 07:20)
Wow - den Nagel auf den Kopf getroffen.
Das Buch hab ich mir jetzt endlich gekauft.
Danke Kerstin.